Dieser Text wurde erstmals im Juli 2023 bei der "Spurensuche" der Deutschen Welle veröffentlicht.
Die "Spurensuche" ist ein Format für spirituelle Impulse (evangelisch und katholisch), und ich freue mich, dass ich diesen Text dazu beitragen durfte.
Es ist Sommerzeit, und überall zieht es die Menschen ans Meer und aufs Wasser.
Als Küstenbewohnerin habe ich das große Glück, jederzeit spontan einen der vielen Strände meiner Umgebung aufsuchen zu können.
Ich genieße den freien Blick, lasse mir den Kopf frei pusten und die Seele weit werden.
Besonders an windigen oder sogar stürmischen Tagen tummeln sich die Surfer auf dem Wasser, stundenlang könnte ich ihnen bei ihren waghalsigen Manövern zuschauen!
So sehr ich das Meer liebe und mich auf Dampfern oder einem gemütlichen Ruderboot durchaus wohl fühle: Ich habe meine Füße am liebsten auf festem Grund.
Meine eigenen Versuche, mich auf einem wackeligen Surfbrett zu halten, endeten kläglich mit blauen Flecken, geklemmten Fingern und einer dicken Beule am Kopf, die mir der Mast des Segels verpasst hat. Ähnlich lädiert kam ich von meinem ersten und einzigen Segeltörn zurück an Land und bin seitdem zufrieden mit meinem Beobachterposten am Ufer.
Wenn wir in ein Boot klettern oder auf ein Surfboard steigen, dann betreten wir eine ganz eigene Welt: Die Welt des Wassers.
Alles kommt in Bewegung, der Untergrund schwankt, wir sind den Elementen voll ausgesetzt.
Als Surfer - insbesondere dann, wenn man freihändig ohne Segel durch die Wellen gleiten will - braucht man eine ganz besondere Art der Standfestigkeit: Nicht steif und fest, sondern geschmeidig und immer im Zusammenspiel mit dem Wasser.
Es muss ein großartiges Gefühl sein, wenn man nach unzähligen Versuchen endlich den Bogen raus hat und das zappelige Brett ausbalancieren kann!
Ich stelle es mir herrlich vor, wenn man nicht mehr gegen die Elemente kämpft, sondern mit ihnen tanzt und durch die Wellen braust.
Was vom Ufer aus oft so lässig und leicht aussieht, geht natürlich nicht ohne Training.
Noch viel wichtiger jedoch sind Mut, Zutrauen und Glauben.
Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich damals bei meinen Surf-Versuchen vielleicht zu früh aufgehört habe daran zu glauben, dass ich es lernen könnte. Vielleicht habe ich zu schnell aufgegeben?
Glauben zu können ist keine Selbstverständlichkeit. Den Glauben an mich selbst, an meine Fähigkeiten und Möglichkeiten, habe ich genauso suchen und lernen müssen wie den Glauben an Gott. Bis heute ist tägliches Üben und Lernen angesagt, nicht immer ist es von Erfolg gekrönt, und Beulen kriegt man nicht nur beim Surfen.
In unserer Leistungsgesellschaft wird darüber hinaus Scheitern und Aufgeben immer noch als Makel betrachtet, dabei kann es doch auch hilfreich sein, sich irgendwann seiner Grenzen bewusst zu werden und diese anzunehmen, statt immer wieder frustriert dagegen anzurennen.
Herauszufinden wo diese Grenzen liegen, und ob sie sich vielleicht doch ein Stück verschieben oder überwinden lassen, ist eines der großen Abenteuer unseres Lebens.
Wenn man dabei an einen Gott glauben kann, mit dem man „Mauern überspringen“ kann, der einem immer wieder „fürchte dich nicht“ zuruft und der einem die Hand reicht, wenn man über Bord gegangen ist, dann fällt es vielleicht leichter, sich den Grenzen zu stellen und mutiger damit umzugehen. Dabei kommt es erstmal nicht darauf an, ob man surfen lernen oder die Welt retten will.
Die biblischen Erzählungen sind voll von Menschen, die buchstäblich ins Wasser geworfen werden und lernen müssen, sich im neuen Element zurechtzufinden. Sie bekommen von Gott Aufgaben gestellt, die sie aus ihrer Komfortzone heraus katapultieren, und wir schauen ihnen seit Jahrhunderten dabei zu, wie sie diese Aufgaben meistern oder auch scheitern.
Immer wieder werden dabei gesellschaftliche, politische und zwischenmenschliche Grenzen überschritten.
Menschen brechen bewusst Regeln, weil sie sie als unmenschlich und falsch erleben.
Das geschieht gerade auch ganz aktuell in der katholischen Kirche, was mir persönlich unglaublich viel Mut macht und mir Hoffnung schenkt, dass diese Grenzen eines Tages auch offiziell als überwunden gelten werden.
Es gibt Grenzen, die so hoch und so mächtig sind, dass wir sie vielleicht nie überwinden können, egal wie oft wir es versuchen.
Ich selbst kann nicht immer einfach glauben, dass Gott irgendwann alles „gut“ werden lässt. Mein Glaube ist keine feste Burg und auch kein Felsen, eher eine langsam wachsende Sammlung aus Fundstücken und Puzzleteilen, die manchmal wie durch ein Wunder an die richtige Stelle passen und eine Leerstelle in mir ausfüllen.
Vielleicht bildet diese Ansammlung von Glaubensfragmenten eines Tages das starke und feste Fundament, auf dem ich dann durch mein Leben surfe? Mit beiden Füßen fest auf dem Grund, die Nase im Wind, die Seele mutig und frei.
Und vielleicht versuche ich es dann doch nochmal mit dem Surfen.
Die Autorin:
Meike Kröger ist freie Künstlerin und Goldschmiedin in Kiel.
Sie schreibt und spricht für den „Gesegneten Abend“ auf NDR1 Welle Nord und ist nebenberuflich im Fernkurs katholische Theologie eingeschrieben.
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Man soll ja Träume haben.
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