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Beifahrer Nr. 5) Heimwärts

 

Ostermontag 2024

Route: A7 Richtung Norden

Playlist: Yello

 

 

Die Blechschlange windet sich langsam die Steigungen auf der A7 Richtung Norden hinauf, halb leer geregnete Wolken hängen schlapp auf den Bergkuppen, Yello singen „Oh Yeah“. 

Unser kleines Auto klemmt zwischen vollgestopften Familienkutschen und aufgeplusterten SUVs die nervös mit den Hufen scharren, weil sie ihre vielen PS nicht auspacken dürfen. 

Ich hab mich eingerollt, zähle die Regentropfen auf der Fensterscheibe und esse heimlich das letzte Stück Pfefferminzschokolade. 

In der Heckscheibe sehe ich immer noch die Familie winken.

Im Augenwinkel am Straßenrand: Gelbe Warnwesten im Regen, ein Reifen ist geplatzt, es raucht aus der Motorhaube.

Heil ankommen fühlt sich an solchen Tagen an wie ein Sechser im Lotto. 

Ein Lieferwagen hat es eilig, drängelt sich vorbei, in der Nacht haben sie wieder eine Stunde vom Tag abgekniffen für die Sommerzeit. Reifen quietschen, Schrecksekunden. Der Mann flucht und ich mache drei Kreuze, die Familie in der Heckscheibe schlägt die Hände vor die Gesichter. 

 

Der nächste Stau, ich packe den Proviant aus. Butterbrote und Grillhähnchen, übrig geblieben vom Familientreffen. 

Wir sind ein bunter Patchworkflickenteppich zwischen Unterfranken, Westfalen und der Ostseeküste.

Die Sippe wächst, wir schäkern mit dem Baby und erinnern uns an die, die schon gegangen sind und trotzdem mit am Tisch sitzen.

Vielleicht fliegt der Zeitpfeil doch nicht nur in eine Richtung, solange wir uns erinnern.

 

„Ich brauche Kaffee“ sagt der Mann vom Fahrersitz, wir sind kurz vor Hamburg.

An der Raststätte tanken wir Koffein und ich besorge neue Schokolade.

Den Endspurt fahre ich.

Neben der Autobahn Containergebirge wie aus bunten Bauklötzen aufgestapelt, dahinter die Kräne mit ihren langen Armen aus Stahl. Sie füttern die nimmermüden Bäuche der Frachtschiffe, stapeln die bunten Kisten auf den Decks bis in den Himmel.

Wir kriechen durch den Elbtunnel, über uns drücken hunderttausende Tonnen Wasser und ich kapiere immer noch nicht wie das möglich ist.

Hinter Hamburg zerfranst der dichte Verkehr, wir zerstreuen uns in alle Winde. 

Nördlich der Elbe wohnen nicht mehr so viele Leute, das Land wird platt und der Horizont weit.

Aus dem Radio fließen 30000 days von Yello und die Erinnerungen schwappen in mir hin und her.

 

Hours, minutes, seconds, days

Eventually a year passed by...

 

Die Familie in der Heckscheibe sitzt beim Nachmittagskaffee, Opa hat das Baby auf den Knien und füttert es mit Weintrauben. 

Die Welt ist exakt an diesem Ort, an diesem Küchentisch, für eine Millisekunde ganz und heil. 

 

Ich winke, und das kleine Auto frisst die letzten Kilometer bis nach Hause. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Betti (Samstag, 20 April 2024 22:33)

    Hach Meike, man sitzt auf dem nicht vorhandenen Rücksitz und fährt mit.....und ist genauso erleichtert, heil angekommen zu sein......